DIE LINKE – Bundestagswahl 2021 Wahlprogrammanalyse Teil 1

Irgendwann in den letzten Wochen haben Katja Kipping und Bernd Riexinger einen Entwurf des linken Bundestagswahlprogramms  für 2021 präsentiert. Linksblock.de versucht eine Analyse des Programmentwurfs in einer kleinen Artikelserie. Begonnen wird mit der Überschrift:

DAS MOTTO

2005: Für eine neue soziale Idee.

2009: Konsequent sozial. Für Demokratie und Frieden.

2013: 100% Sozial

2017: Sozial.Gerecht.Frieden.Für alle – Die Zukunft, für die wir kämpfen.

2021: Zeit zu handeln.  Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit.

Im Motto für 2021 kommt deutlich das Wahlziel zum Ausdruck. „Handeln“ kann man nur in Regierungsverantwortung. „Kämpfen“ (Motto 2017) geht auch prima in Opposition. Das Ziel einer Regierungsbeteiligung nach der Wahl in 2021 drängt sich geradezu auf. Ungeduldig suggeriert man, dass die im Programm dargestellten Ansätze in einer Grün-Rot-kleinroten Koalition durchaus umgesetzt werden. In der Detailanalyse muss dann die Aufmerksamkeit auf die Wörter “möchten“, „wollen“, „sollten“, „sollen“, „„müssen“, „werden“ und andere Wortkombinationen mit ähnlichen Bedeutungen gehen.  

Vom Anspruch 100% sozial zu sein in 2013 erfolgt eine sukzessive Abschwächung auf soziale Sicherheit in 2021. Im Bereich Sozialpolitik wird so seitens der LINKEN erhebliche Kompromissbereitschaft signalisiert, ganz unabhängig von dem im Programm aufgeführten Forderungen und dargelegten Konzepten.

Frieden als Schlagwort bleibt erhalten. Hier muss detailliert auf die Formulierungen im Programm geachtet werden, um die Intentionen der Programmersteller:innen zu verstehen. So lautet z.B. ein Satz: „Wir wollen den Export von Kleinwaffen und Waffenfabriken verbieten.“ So, wie ich Milliardär werden will, aber selbstverständlich nur aus Altruismus. „Zivile Konfliktlösungen wollen wir stärken.“ ist ähnlich unverbindlich und im Grunde nichtssagend. Eine klare und verbindliche Aussage, an der Wähler:innen die Partei messen können: „Auslandseinsätze der Bundeswehr werden wir beenden.“ Zwar gibt es auch da Spielraum, da nicht nur die Bundeswehr bewaffnet im Ausland tätig sein kann, aber es ist doch ziemlich stark. Es wird interessant zu beobachten, was aus dieser Aussage im Verlauf der Diskussion des Programmentwurfs wird.

Das Wort „Klimagerechtigkeit“ im Motto ist besonders interessant. Da diese Wortschöpfung aus dem angelsächsischen Sprachraum (Climate Justice) übernommen wurde, ist durchaus von Interesse wie DIE LINKE das Konzept versteht und interpretiert. Eine quantitative Analyse zeigt, dass Wörter mit „klimagerecht“ insgesamt 28mal im Programm vorkommen. Der erste Eindruck, dass Klimagerechtigkeit im Sinne der LINKEN sich vor allem auf die soziale Situation hierzulande bezieht, dürfte nicht täuschen. Damit keimt der Verdacht, dass DIE LINKE das Konzept Klimagerechtigkeit nicht wirklich verstanden hat. Aber hierzu bedarf es einer genaueren Analyse.

QUANTITATIVE STICHPROBE

Häufig gewinnt man beim Zählen von Wörtern mit gleichen Wortstämmen einen ganz guten Überblick über die Schwerpunkte und Tendenz eines Textes ohne diesen im Detail zu lesen. Daher mal lustiges Wörterzählen im Programmentwurf von DIE LINKE.

Ausgesuchte Wortstämme und die Anzahl ihres Auftauchens im Dokument inklusive Motto und Inhaltsverzeichnis sind nachfolgend mal aufgeführt .

Um es vorweg zu nehmen:

Wörter mit „opposit*“  z. B. Opposition tauchen im Programm inklusive Inhaltsverzeichnis und Motto 2x im Zusammenhang mit der Türkei auf. Das Wort „Arbeiter“ taucht als Arbeiter*innen im Programm 1x auf. „Kapitalismus“ taucht im Programm als Raubtierkapitalismus 1 x auf. Volksabstimmungen, Volksbegehren, Volksentscheid tauchen je 1x im Zusammenhang mit der EU. Das Wort „Freiheit“ taucht im Programm 4x im Zusamenhang mit Religionsfreiheit auf. „Meinungsfreiheit“ erblickt man 1x im Zusammenhang mit der Türkei. Die Wortkombination „direkte Demokratie“ taucht im Programm nicht auf. Und natürlich „Sozialismus“ bzw. „sozialistisch“ auch nicht.

Ansonsten zählt es sich ohne Gewähr wie folgt:

 „klima*“, z.B. Klimawandel  157x davon „klimagerecht*, z.B. Klimagerechtigkeit 28x

 „umwelt*, z.B. Umweltschutz 42x

„ökolog*“ z.B. ökologischer 97x

 „fried*“, z.B. Frieden 51x

 „solidar*“, z.B. Solidarität 93x

„recht*“, z.B. Mitbestimmungsrechte 629x

davon  „gerecht*“, z.B. Gerechtigkeit  214x

„sozial*“, z.B. soziale 364x

 „kind*“, z.B. Kinder 143x

 „teilhabe*“, z.B. Teilhabe 27x

 „demokra*“, z.B. demokratisch 139x

 „freiheit*“, z.B. Barrierefreiheit 31x auf.

 „mitbestimm*“, z.B. Mitbestimmung 39x

„coron*“ und „pandem*“  z.B. Corona in Summe 72x

 „geschlecht*“ oder „gender*“, z.B. Geschlechter  oder Gendergerechtigkeit 48x

 „sexu*“, z.B. sexuelle 23x

 „flücht*“ oder „flucht*“ oder „asyl*“ oder „ migra*“ 128x

 „gewerkschaft*“  z. B. Gewerkschaft  31x

„tarif*“ z.B. Tarif 57x

„staat*“ z.B. Sozialstaat 111x

„überwach*“ z.B. Überwachungsstaat 17x

„relig*“ z.B. Religion 24 x

„christ*“ z.B. christlich 1x

„muslim*“ z.B. antimuslimisch 6 x

„wissen*z.B. Wissenschaft 51x

 „forsch*“  z.B. Forschung 50x

„gent*“ z.B. gentechnisch 2x

„rad*“ z.B. Radfahren 44x

„bahn*“ z.B. Bahncard 45x

 „verbot*z.B. Nachtflugverbot 44x

„verbiet*“ z.B. verbieten 27x

„strom*“ z.B. Strom 38x

„energie*“ z.B. Bürgerenergieprojekte 95x

„wind*“ z.B. Windkraftanlagen 18x

„schule*“ z.B. Hochschulen 133x

Welche Schlussfolgerungen können gezogen werden? DIE LINKE definiert sich nicht mehr als sozialistische Partei. Keine Ahnung, ob sie es jemals ernsthaft getan hat, aber das Fehlen von Wörtern in diesem Zusammenhang ist schon sehr auffällig. Vielleicht ja nur Taktik, aber das wage ich zu bezweifeln. Eine Partei der Freiheit ist DIE LINKE auch nicht. Individuelle Freiheit gehört außerhalb sexueller und religiöser Selbstverwirklichung scheinbar nur begrenzt zum gesellschaftlichen Konzept der LINKEN. Auch Meinungsfreiheit ist eher nicht so das Ding der LINKEN. Das erinnert doch schwer an den ehemals real existierenden Sozialismus und leninsche Konzepte, die ja gescheitert sind.

Corona und die zugehörige Pandemie haben im Wahlprogramm eine erhebliche Bedeutung. Das ist nicht gut. Aber hierzu wird es einer Detailanalyse bedürfen.

Ganz klar setzt DIE LINKE ihr Hauptaugenmerk auf soziale Themen. Das ist sehr gut. Schön ist, dass „..kind..“ immerhin 143mal vorkommt. Auch das häufige Vorkommen von „..schule..“ zeigt, dass die Zukunft im Visier ist. Das gibt Hoffnung, dass nicht alle Hoffnung fahren gelassen werden muss.

Umwelt- und Klimaschutz haben scheinbar eine erhebliche Bedeutung im Programm. Allerdings dürfte der Blick in klassischer linker Tradition national verengt sein und wahrscheinlich auch konzeptionell nicht brauch- und umsetzbar hinterlegt. Ähnliches ist auch von den anderen Parteien zu erwarten.

Direkte Demokratie scheint jetzt nicht so unbedingt ein Thema zu sein. Staatliche Eingriffe und Regulierungen dürften im Programm deutlich gefordert werden.

Ansonsten ist so ziemlich alles vertreten, was in einem Wahlprogramm vertreten sein muss. Und so manches dürfte auch schwer vernünftig sein. Allerdings darf mit absoluter Sicherheit davon ausgegangen werden, dass DIE LINKE keine Konzepte außerhalb ihres außerordentlich begrenzten, wachstumsfixierten Systemverständnisses bietet.

In Teil 2 werden wir uns mit der Einleitung und dem Kurzprogramm befassen. Hier werden die Köder für die Parteibasis (Einleitung) und die Wähler:innen (Kurzprogramm) ausgelegt.

In Teil 3 geht es dann um Corona, Friedenspolitik, Rentenpolitik, Steuerpolitik, den „linken Green New Deal“ und die Klimagerechtigkeit. Hier ist unser Erwartungshorizont gering um Enttäuschungen vorzubeugen. Wir freuen uns aber auf starke Worte wie „Systemwechsel“.

Schreiberling

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