Präsidentschaftswahl in den USA und die Positionierung der Linkspartei

Ein Kommentar                              13.11.2020 veröffentlicht 27.11.2020

Etwa 7 Wochen vor der Wahl in den USA hat der ehemalige außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, auch ehemaliges Mitglied der Atlantikbrücke, Stefan Liebich sich eindeutig dafür ausgesprochen, dass die Bundesregierung Joe Biden unterstützen solle. Das hat er  in mehreren Medien (z.B. https://www.stefan-liebich.de/de/article/5709.nicht-neutral-im-us-wahlkampf-sein.html), in einem Beitrag für die  Rosa-Luxemburg-Stiftung (https://www.stefan-liebich.de/de/article/5713.ende-der-neutralität.html) und auf seiner Website getan. Auf meine Nachfrage bestätigte Gregor Gysi, der jetzige außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, dass dieses Statement so mit ihm abgesprochen war. Am 04. November legte Liebich noch einmal nach in einem Interview der TAZ (https://taz.de/Linken-Politiker-Liebich-zur-US-Wahl/!5726287/).

Man darf also davon ausgehen, dass dies die  offizielle außenpolitische Position der LINKEN ist. Die Linkspartei unterstützte und unterstützt also Joe Biden und hält dessen Wahlsieg für „eine gute, wenn auch keine beruhigende Nachricht“, wie Katja Kipping es am 7.November darstellte. Beunruhigend allerdings nicht, weil mit Biden ein erwiesenermaßen unsozialer und konzernhöriger Politiker des demokratischen Establishments, der aus der Administration des friedensnobelpreistragenden Kriegspräsidenten Obama z.B. auch in Zusammenhang mit dem Putsch in der Ukraine wohl bekannt ist, nun Präsident der USA wird, sondern weil „knapp die Hälfte der Stimmen […]ein großmäuliger Lügner [bekam], der täglich seine Verachtung für Demokratie, Frauen und alle, die ihm zu widersprechen wagten, gezeigt hat.“ Hier von Katja Kipping gemeint ist natürlich Trump.  Ein“ Talk“ von Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler mit 2 Vorstandsmitgliedern der Democrats Abroad in Berlin, ebenfalls am 7.November  bedient auch einseitig eine äußerst beschränkte Sichtweise auf die politischen Verhältnisse in den USA (https://www.youtube.com/watch?v=NV28CK7vk5w am 13.11.2020 nur 187 mal aufgerufen).

Es bleibt mir ein Rätsel, warum  führende Vertreter der Linkspartei so eindeutig Position beziehen. Es wäre interessant zu erfahren, ob vielleicht bei der einen oder dem anderen doch etwas mehr dahinter steckt als „Abneigung“ gegen Trump und klassenkämpferische (?) Kritik an der Trump’schen Politik. Meinen Kipping, Liebich, Gysi und Co. ernsthaft, dass sich an der Aufrüstungspolitik oder an der Politik im Nahen Osten oder am Festhalten an der Hegemonialstellung oder in wesentlichen  sozialen Fragen oder am strukturellen Rassismus in den USA  oder am Konfrontationskurs mit China und Russland  sich unter einem Präsidenten Biden oder einer (Vize-)Präsidentin Harris etwas wesentliches ändern würde? Und auch ein Wiedereintritt der USA  in das Pariser Klimaschutzabkommen ohne Nachverhandlungen klingt doch eher unrealistisch. Die rechte Sozialdemokratie in den USA, in  der Demokratischen Partei führend  vertreten durch Elisabeth Warren und Bernie Sanders  steht übrigens ebenso für eine klare Hegemonie der USA wie Biden und Trump. Durchzusetzen auch mit militärischen Mitteln, versteht sich.

Trumps „Reformen“ zum Wohle der Geldbeutel der Superreichen werden unter Biden nicht wirksam rückgängig gemacht. Es werden einige wenige kosmetische Korrekturen vorgenommen, um den Anschein zu erwecken. Der Ton aus dem Weißen Haus  wird vielleicht höflicher, man könnte auch sagen unverbindlicher und verlogener (Trump war in seiner außenpolitischen Kommunikation doch immer ziemlich geradlinig, geradezu ehrlich, was ich von Biden nicht erwarte), aber inhaltlich wird sich wenig bis nichts tun. Zumindest nichts Gutes.

 Ich beurteile Menschen in der Regel nicht nach ihren Worten sondern nach ihren Taten. Mir scheint allerdings, dass ich damit in der LINKEN in der deutlichen Minderheit bin. Auf Grund des bisherigen Tuns von Biden halte ich seine Präsidentschaft für eine Gefahr für den Frieden in Europa und Asien. Und zwar eine deutlich größere Gefahr als eine zweite Amtszeit Trump. Biden und Harris werden, so befürchte ich,  den Weg zum nächsten Krieg auf europäischem Boden ebnen. Und es steht  darüber hinaus zu befürchten, dass unter Biden die USA selbst noch deutlich tiefer gespalten werden. Für inneren Zusammenhalt ist ein Krieg außerhalb des eigenen Territoriums immer eine nützliche Sache.

Die USA sind auf Bundesebene eine „2-Parteien-Demokratie“. Diese steckt seit Jahrzehnten  in einer tiefen Krise, weil das Vertrauen in diese „Demokratie“ bei vielen Menschen in den USA zerstört ist. Aus vielerlei und durchaus komplexen Gründen. Trump war und  ist nicht die Ursache dieser Krise, wie so manche zu wissen scheinen. Trump ist ein Symptom der Krise. Und Biden wird ein weiteres Symptom dieser Krise und der tiefen Spaltung sein.

Der offiziellen LINKEN stünde es meiner Ansicht nach gut zu Gesicht sich nicht priorisierend zur formal immer noch nicht abgeschlossenen Wahl  in den USA zu äußern. Wer sich übrigens an die Bemühungen der Demokraten erinnert, Trump Wahlbetrug anzuhängen  -Credo die Russen waren’s, oder die Hoffnungen, dass einzelne Wahlleute gegen die Stimmenmehrheiten in Ihren Bundesstaaten stimmen würden, darf davon ausgehen, dass auch die Trumpisten sich mit aller Kraft bemühen werden, mehr oder weniger erfolgreich den Demokraten Wahlfälschung nachzuweisen. Und ob das wirklich so erfolglos bleibt, wie uns suggeriert wird, dürfte mindestens von jenen bezweifelt werden, die sich an Bush jr. versus Gore erinnern.  

Ohne Priorisierung heißt nicht, dass man sich seitens der LINKEN nicht außerordentlich kritisch mit Trump auseinandersetzen sollte. Aber es schließt aus, Biden und Harris mit mittelbaren Vorschusslorbeeren zu bedenken. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass sehr viele Menschen gerade in Deutschland erhebliche Hoffnungen mit der Präsidentschaft Obamas verbunden haben. Ein regelrechter Obama-Hype war 2008 zu verzeichnen: „Yes, we can !“. Im Ergebnis muss es allerdings heißen „No, we couldn’t !“. Nach Obama kam Trump. Aber zumindest wurde unter Trump im Gegensatz zu Obamas Präsidentschaft kein neuer Krieg angezettelt.

Es sind wieder die gleichen Menschen hierzulande, die die Hoffnung treibt, dass nun mit einem scheinbar besseren US-Präsidenten auch eine bessere Zeit anbricht. Wider besseren Wissens?

Ich betätige mich mal als Prophet: es kommt keine bessere Zeit. Es wird schlimmer! DIE LINKE sollte sich darauf vorbereiten. Und sie muss mindestens genauso kritisch mit einer Biden-Harris Administration umgehen wie mit einer Trump-Pence- Regierung.

Schreiberling

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